„Im Herbst gibt es viel zurückzuholen“
LINZ. Sozialpartnerschaft: AK-Präsident Johann Kalliauer wundert sich darüber, dass sich „die Wirtschaftskammer nicht gegen die versuchte Entmündigung durch die Regierung wehrt“, und sieht in Oberösterreich Tauwetter.
Die Botschaft hört er wohl. Aber noch fehlt ihm der Glaube daran, dass die Regierung den Dialog mit den Sozialpartnern tatsächlich ernst meine. Oberösterreichs Arbeiterkammer- und ÖGB-Präsident Johann Kalliauer über Symbolpolitik, seine Skepsis und das Tauwetter mit der Wirtschaftskammer.
OÖNachrichten: ÖGB-Chef Katzian und AK-Präsidentin Anderl haben die Gespräche der Regierung mit den Sozialpartnern diese Woche als konstruktiv erlebt. Der Beginn vom Ende der Eiszeit?
Kalliauer: Das wäre zu hoffen. Aber ich bleibe vorsichtig. Im Regierungsprogramm ist die Generallinie ein Zurückdrängen der Sozialpartner. Die Frage ist, was ist, wenn es an die Substanz geht.
Mit der Substanz meinen Sie Sozialversicherung. Da will die Regierung ihr Programm durchziehen, auch wenn sie schon jetzt Abstriche macht.
Mein Eindruck ist, dass vollmundige Ankündigungen gemacht wurden und angenommen wurde, dass es keiner merkt, wenn man eine Milliarde Euro aus dem System nimmt. Gleichzeitig will man die Selbstverwaltung entmündigen, die ein zentraler Bestandteil der Sozialpartnerschaft ist. Dass sich die Wirtschaftsseite dagegen nicht wehrt, wundert mich. Offenbar hat man aber in der Regierung bemerkt, dass es ohne Dialog nicht geht. Aber letztlich geht es der Regierung um eine Stärkung ihres Einflusses zu Lasten der Arbeitnehmer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das AK und ÖGB gefallen lassen.
In der AUVA soll es eine Beitragssenkung von 1,3 auf 0,8 Prozent geben. Sie kritisieren, dass sich hier vor allem die Industrie etwas erspart. Wollen Sie sich im Herbst da etwas zurückholen?
Es gibt einiges im Herbst zurückzuholen. Es gab ja auch eine ordentliche Produktivitätssteigerung im vergangenen Jahr. Die Frage ist, was von Unternehmerseite kommt. Bei der AUVA wird derzeit ein Teil der Kosten zu den Arbeitnehmern verschoben.
Wäre es angesichts der Diskussionen um das Hin- und Herverrechnen von Kosten aus Unfällen nicht sinnvoll, eine einheitliche Versicherung zu machen?
Das wäre eine Variante. Vielmehr geht es mir aber um einen anderen Zugang zum Thema Vorsorge. Bei den Arbeitsunfallzahlen redet man sich einiges schön, statt die Prävention zu verstärken, wie es in internationalen Konzernen üblich ist.
Laufen ÖGB und AK nicht Gefahr, zu Neinsagern zu werden?
Im Regierungsprogramm gibt es wenig, dem wir zustimmen können. Ich bin grundsätzlich für einen Dialog mit der Regierung, aber auf Augenhöhe und nicht als reine Symbolpolitik. Und davon sieht man derzeit genug, Stichwort 140 Pferde für die Polizei.
Symbolpolitik machen aber auch die Sozialpartner. Bei den Metaller-KV-Verhandlungen kann man als geübter Beobachter vor den Gesprächen das Ergebnis voraussagen. Trotzdem wird theatralisch nächtelang verhandelt. Um die eigene Existenz zu rechtfertigen?
Die meisten Verhandlungen verlaufen völlig problemlos. Probleme gibt es meist, wenn Branchen im Umbruch sind, wie etwa bei den Druckern. Bei einigen wenigen KV-Verhandlungen erwecken allerdings einige Teilnehmer der Industrie den Eindruck, sie sitzen widerwillig am Verhandlungstisch. Die Industrie fühlt derzeit Oberwasser. Spielt sie das hier aus, wäre das ein Crash-Szenario.
Die Regierung hat von den Kammern Reformvorschläge eingefordert. Haben Sie diese abgegeben und werden die Beiträge gesenkt?
Die Beiträge werden nicht gesenkt. Darüber und über andere existenzielle Fragen können nur die Mitglieder entscheiden. Wir haben ein Zukunftsprogramm übermittelt und hängen auch nicht alles an die große Glocke, was wir schon erledigt haben.
Zwischen den Sozialpartnern in Oberösterreich herrschte jetzt einige Zeit Eiszeit. Angeblich hat sich Ihr Verhältnis zu Doris Hummer verbessert.
Es gibt regelmäßig Gespräche, die gab es immer. Was konkrete Projekte und deren Umsetzung betrifft, gibt es aber Luft nach oben.
Ein Anknüpfungspunkt ist die Situation der Ein-Personen- Unternehmen, die schwer zu- ordenbar sind. Sehen Sie hier einen gemeinsamen Weg, was die soziale Absicherung betrifft?
Das wäre für mich denkbar.
Im März 2019 sind wieder AK-Wahlen. Sie sind dann 66 Jahre alt und treten wieder an. Werden Sie dann die gesamte Amtszeit absolvieren?
Ich trete für die gesamte Amtszeit an. Wir werden aber rechtzeitig Weichenstellungen für einen Übergang schaffen. Für mich war entscheidend, dass sich einiges im Umbruch befindet und ich meinen Beitrag leisten kann. Das war auch die einhellige Meinung in meiner Fraktion.