Die Sozialpartnerschaft ist gekennzeichnet von einem gemeinsamen Bekenntnis zu einem gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat als Instrument zur Verminderung der Schieflage in der Einkommens- und Vermögensverteilung und von einem funktionierenden Konfliktmanagement, das über Jahrzehnte den sozialen Frieden in Österreich gesichert und das Land zu einem der reichsten Industriestaaten der Welt gemacht hat.
Teile der Industrie versuchen allerdings seit Jahren verstärkt, die Arbeitnehmerseite zurückzudrängen und eigenständigen bzw. direkten politischen Einfluss zu nehmen. In letzter Konsequenz stellen sie die Sozialpartnerschaft infrage und fordern die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern. Also gerade jene Industrie, die in der Vergangenheit stets auf die Unterstützung der Sozialpartner zählen konnte, wenn wichtige Industrieunternehmen wirtschaftliche Probleme hatten.
Das ist umso unverständlicher, als es große Herausforderungen gibt, in denen die Sozialpartner gemeinsam gefragt sind: Die steigende Arbeitslosigkeit bei Älteren, fehlende Ausbildungsplätze für Junge – und das obwohl die Wirtschaftsseite über einen Mangel an Fachkräften klagt, das reformbedürftige Bildungssystem, systematische Unterentlohnung in manchen Unternehmen, das Umgehen und Missachten von gemeinsam ausverhandelten Kollektivverträgen, die Verhinderung von Betriebsratswahlen. Hier sollten die Sozialpartner ein gemeinsames Interesse haben, die drängenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt, in den Kindergärten und Schulen und in den Betrieben zu lösen.
Bonus-Malus-System für ältere Beschäftigte
Knapp ein Drittel der Arbeitslosen in Oberösterreich ist älter als 50 Jahre. Im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen sind Ältere zumeist sehr lange arbeitslos. Im Sozialpartnerpapier von Bad Ischl haben sich die Sozialpartner grundsätzlich auf ein Bonus-Malus-System verständigt: Betriebe, die Ältere einstellen, sollen mit einer Prämie in der Größenordnung von rund 500 Euro monatlich belohnt werden. Jene, die keine älteren Bewerber/-innen nehmen, sollen hingegen zahlen. Ziel ist eine verpflichtende Quote von älteren Beschäftigten in allen Branchen.
In den Betrieben müssen die Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass ältere Beschäftigte ihren Job gesund bis zur Pension ausüben können. Dafür braucht es mehr Investitionen in die Betriebliche Gesundheitsförderung, die konsequente Umsetzung der in der Evaluierung der psychischen Belastungen erarbeiteten Maßnahmen sowie gemeinsame Überlegungen und Anstrengungen bei der Qualifizierung älterer Beschäftigter. Die Sozialpartner sollten sich mit den Themen Wissensmanagement, Digitalisierung und Wiedereingliederung nach längerem Krankenstand beschäftigen.
Mehr Chancen für Junge: Gegen die beinharte Selektion vieler Betriebe
Die Jugendarbeitslosigkeit ist in den vergangenen Monaten erfreulicherweise gesunken. Trotzdem finden nach wie vor viele Jugendliche keinen Ausbildungsplatz, weil immer weniger Betriebe Lehrlinge ausbilden und viele Unternehmen beinhart selektieren, um die „besten“ jungen Menschen zu bekommen. Darum ist es eine zentrale Aufgabe der Sozialpartner, nach Wegen zu suchen, die auch Jugendlichen mit schlechten Zeugnissen eine Chance auf eine gute betriebliche Ausbildung ermöglichen. Das wäre auch eine Chance für die Unternehmen, ihren Bedarf an Fachkräften zu decken
Kollektivverträge müssen eingehalten werden
Problematisch ist auch, dass in manchen Unternehmen die in den Kollektivverträgen vereinbarten Bestimmungen nicht eingehalten oder schlechtere Kollektivverträge angewendet werden. Es muss jedenfalls ein gemeinsames Anliegen der Sozialpartner sein, dass die getroffenen Vereinbarungen von allen Seiten eingehalten werden, weil dadurch nicht nur die betroffenen Arbeitnehmer/-innen geschädigt werden, sondern auch all jene Unternehmen, die ihre Beschäftigten korrekt behandeln und vereinbarungsgemäß bezahlen. Das gilt auch für die Informationspflicht bei Unterentlohnung: Hier sind die Sozialpartner gefordert, sich in der Gebietskrankenkasse dafür einzusetzen, dass systematischer Rechtsbruch angezeigt wird und zu Strafzahlungen führt.
Sozialpartnerschaft auf betrieblicher Ebene
Nicht zuletzt sollten sich die Sozialpartner gemeinsam anstrengen, dass es in mehr Betrieben Belegschaftsvertretungen gibt und dass Betriebsratswahlen ungehindert stattfinden können. Denn es gibt zahlreiche Betriebe, die Betriebsratswahlen verhindern und potenzielle Betriebsräte/-innen kündigen oder ihnen zumindest mit der Kündigung drohen. Wenn aber Konflikte auf betrieblicher Ebene gelöst werden können, erspart das oft den Weg vor das Arbeits- und Sozialgericht.
Die FSG ist jederzeit zu Gesprächen über all diese Themen bereit. Es liegt nun an den Vertretungen der Arbeitgeberseite, ihre Blockadehaltung aufzugeben und an den sozialpartnerschaftlichen Tisch zurückzukehren